Brief an den Deutschen Bundestag


7. Januar 1998


Bundestag
Bundeshaus
53113 Bonn

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Bundestagsabgeordnete,
sehr geehrte Frau Bundestagspräsidentin,


 die heutige Nachricht vom Scheitern von Reformen betrübt mich sehr. Es zeigt, daß alle Appelle an Ihre Vernunft vergebens sind.

 Seit Jahren ist bekannt, daß weniger Steuern und weniger Vergünstungen bzw. Steuervorteile zu mehr Steuereinnahmen für den Staat führen. Sie meine Damen und Herren Volksvertreter könnten ein entsprechendes Gesetz beschließen. Zeigen Sie doch nach außen im Bundestag, daß Sie sich in den Ausschüssen sachlich unterhalten können und machen Sie keine Show aus der gesetzgebenden Gewalt. Setzen Sie doch ein Zeichen für zukünftige Generationen, daß der Bundestag auch eine von Koalitionen und Oppositionen unabhängige, schlagkräftige Gewalt sein kann. Erneuern Sie den demokratischen Gedanken und demonstrieren Sie Handlungsfähigkeit. Überraschen Sie doch die Medien und die Öffentlichkeit mit einem Geist, den es am Bodensee vielleicht gegeben hat. Zeigen Sie dem deutschen Volk, daß es ehrenhaft ist Politiker im deutschen Bundestag zu sein. Erweisen Sie sich doch als würdiger Vertreter einer Demokratie. Benutzen Sie Ihren Sachverstand und Ihre politische Erfahrung, um neue Wege zu gehen.

Nach Artikel 45 c Grundgesetz habe ich Sie 1997 wenigstens darum gebeten, daß Sie ernsthaft nach einer Lösung der Probleme suchen. Ich bat den Bundestag, er möge ernsthaft über parteipolitische Grenzen hinweg ein Gesetz zur Steuerreform zu beschließen, die auch im Bundesrat mehrheitsfähig ist. Ich bin mir sicher, daß es in der Sache eine Lösung geben kann, wenn man nur will. Der Petitionsausschuß hätte ja mit Hilfe von Fachleuten einen entsprechenden parteiunabhängigen Gesetzesvorschlag erarbeiten können. Wenn Finanzbeamte, deren Aufgabe es ist, sich mit den entsprechenden Steuergesetzen hauptberuflich auszukennen, sich in den derzeitigen Steuergesetzen nicht mehr zurechtfinden, dann ist es dem Bürger erst recht nicht mehr zuzumuten.

 Da ich bis heute von Ihnen keine Antwort auf meine Briefe des Jahres 1997, die mir nach 45c GG zusteht, erhalten habe, und Sie Gerichtsurteile des Bundesverfassungsgericht anscheinend sowieso ignorieren wollen, denke ich über das Recht zum Widerstand nach, das mir die Verfassung gewährt, wenn ich keine andere Möglichkeiten habe. Es wäre sicherlich ein Präzedenzfall in der Bundesrepublik Deutschland soweit gehen zu müssen, jedoch bin ich mir sicher, wenn ich mit meiner Rechtsauffassung richtig liege, daß mir viele Menschen folgen werden. Der legale Widerstand, da er die Steuern betrifft, würde eine Verweigerung der Steuern an den Staat sein. Selbst wenn viele Bürger diesen Widerstand weniger aus moralischen, sondern nur aus pekuniären Interessen gehen würden, weil ein "Verrückter", wie ich, diesen Weg gegangen ist, würde es den Staatsbankrott einleiten. Ich werde diesen Brief hier nicht nur an Sie senden, sondern auch im Internet veröffentlichen. Es widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz, wenn nur derjenige alle steuerlichen Vorteile ausschöpfen kann, der es sich leisten kann einen entsprechenden Fachmann zu bezahlen. Wenn Kommunen, in derem Siedlungsgebiet offensichtlich reiche Bürger wohnen, finanzielle Probleme bekommen, dann kann die Gesetzgebung eigentlich nicht mehr verfassungskonform sein. Wenn die Lasten des Staates nur noch auf die abhängig Beschäftigen mit geringen Einkommen verteilt werden, dann kann auch hier die Gesetzgebung nicht mehr verfassungskonform sein. Bezeichnenderweise wird von der Politik auf solche Alarmsignale nicht reagiert, sondern nur lamentiert, debattiert und diskutiert, ohne zu einem nennenswerten Ergebnis zu kommen.

 Es wird soviel über Politikverdrossenheit, Staatsverdrossenheit und Vollkaskomentalität geschrieben und gesprochen, doch der Bundestag und seine Abgeordnete hätte die Möglichkeiten etwas zu ändern. Möglicherweise ist es noch nicht einmal so wichtig was beschlossen wird, wenn nur für die Bürger erkennbar keine parteipolitischen Interessen im Vordergrund stünden, sondern das ernsthafte Bemühen der Legislative eine Lösung der anstehenden Probleme auf den Weg zu bringen. Zeigen Sie doch nach außen im Bundestag, daß Sie sich in den Ausschüssen sachlich unterhalten können und machen Sie keine Show aus der gesetzgebenden Gewalt. Setzen Sie doch ein Zeichen für zukünftige Generationen, daß der Bundestag auch eine von Koalitionen und Oppositionen unabhängige, schlagkräftige Gewalt sein kann. Erneuern Sie den demokratischen Gedanken und demonstrieren Sie Handlungsfähigkeit. Überraschen Sie doch die Medien und die Öffentlichkeit mit einem Geist, den es am Bodensee vielleicht gegeben hat. Zeigen Sie dem deutschen Volk, daß es ehrenhaft ist Politiker im deutschen Bundestag zu sein. Erweisen Sie sich doch als würdiger Vertreter einer Demokratie. Benutzen Sie Ihren Sachverstand und Ihre politische Erfahrung um neue Wege zu gehen. Holen Sie sich den besten Rat aus der ganzen Republik, um zu beweisen, daß es einen demokratischen Konsens geben kann. Wenn Sie glauben, daß es bessere Minister als die jeweiligen Politiker gibt, dann finden Sie doch einen Weg, um dort den besten Fachmann einzusetzen, den Sie finden können. (Sollte es ein Parteipolitiker sein, muß es kein Nachteil sein, aber wann wurde zum letzten Mal ein Nicht-Parteimitglied Minister. Soweit ich weiß, ist Ludwig Erhard erst nach seiner Ministerernennung Parteimitglied geworden.) Ich habe nur die Möglichkeit, an Sie zu appellieren, es bliebe sonst nur der Widerstand. Einmal in vier Jahren darf ich eine Stimme abgeben, die der einen oder der anderen Seite zur Mehrheit verhilft, doch warum sollte ich wählen gehen, wenn ich weder an die eine oder andere Seite glaube und insbesondere nicht daran glaube, daß die eine oder andere Seite eine Lösung finden wird, weil die parteipolitischen Grenzen das eigentliche Hindernis sind. Der Volksmund sagt, es ist egal, wem man seine Stimme gibt, es passiert eh nichts. Warum sollte man dann nicht seine Stimme den Regierungsparteien geben, denn wenn schon nichts passiert, dann haben die wenigstens den Vorteil, daß sie Regierungserfahrung haben.

Selbst wenn Sie als einzelner Abgeordneter nicht das Gefühl haben, daß von Ihrer Seite diese Republik bestimmt wird, so ist es dennoch so. Sicherlich ist es schwierig, doch warum sind Sie Politiker geworden? Aber vielleicht irre ich mich und es sitzen nur noch verbeamtete Karrieristen im Bundestag, denen das Volk egal ist und deren Hauptvergnügen es ist die Opposition mit entsprechenden Argumentationen niederzuprügeln und wenn sie noch so an den Haaren herbeigezogen sind oder die Regierung als unfähig vorzuführen und Ideen vorzuenthalten in der Hoffnung, daß man die Ideen eines Tages zum eigenen Machterhalt und zur eigenen Profilierung verwenden kann. Jenen Karrieristen wird es auch kein Problem bereiten Ideen anderer zu stehlen und als Eigene auszugeben. Ob es die Idee von Hasselfeldt oder Poß oder wem auch immer ist, spielt keine Rolle, entscheidend ist die Kultur, die dahinter steht. Die beste Möglichkeit eine Idee durchzusetzen ist angeblich die, dem anderen dazu zu bringen, zu denken, sie stamme vom ihm selbst. Dann greife man seine eigene Idee vom anderen auf und beglückwünsche ihn zu der hervorragenden Idee. Ehe man es recht begreifen möge, hätte der andere die Idee doch tatsächlich in die Tat umgesetzt. Wer auf den Ruhm aus ist, wird dabei allerdings nie zu Ruhm gelangen, es sei denn er ist so gut in dieser Art der Durchsetzung, daß die Ideendiebe eines Tages auf ihn angewiesen sind, weil sie selbst keine Ideen mehr haben. Sicher ist jedoch, wenn man sich darüber streitet, wer was macht und wer was gesagt hat und wer welche Idee gehabt hat und wer wenn blockiert, daß nichts mehr gemacht wird. Der Beobachter solcher Szenen wird sich grauenvoll abwenden und ab und zu möglicherweise noch hinschauen, ob sich was geändert und der Streit sich wieder gelegt hätte. Dauert der Streit unter den Parteien zu lange, wird er sich andere Parteien suchen, die nicht so sehr mit sich selbst beschäftigt sind. Zeigen Sie doch nach außen im Bundestag, daß Sie sich in den Ausschüssen sachlich unterhalten können und machen Sie keine Show aus der gesetzgebenden Gewalt. Setzen Sie doch ein Zeichen für zukünftige Generationen, daß der Bundestag auch eine von Koalitionen und Oppositionen unabhängige, schlagkräftige Gewalt sein kann. Erneuern Sie den demokratischen Gedanken und demonstrieren Sie Handlungsfähigkeit. Überraschen Sie doch die Medien und die Öffentlichkeit mit einem Geist, den es am Bodensee vielleicht gegeben hat. Zeigen Sie dem deutschen Volk, daß es ehrenhaft ist Politiker im deutschen Bundestag zu sein. Erweisen Sie sich doch als würdiger Vertreter einer Demokratie. Benutzen Sie Ihren Sachverstand und Ihre politische Erfahrung, um neue Wege zu gehen. Holen Sie sich den besten Rat aus der ganzen Republik, um zu beweisen, daß es einen demokratischen Konsens geben kann.

Mit freundlichen Grüßen



Arnold Schiller

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